Talent Management ist ein Thema der Stunde: Die Knappheit an qualifiziertem Personal ist einer der größten Herausforderungen vieler Unternehmen. Die Frage, wie sich Talente rekrutieren bzw. erkennen lassen und wie diese zu fördern sind, wird für nahezu alle Unternehmen eine strategische Frage sein.

Die Attraktivität als Arbeitgeber hängt zwar auch vom Unternehmensgegenstand ab, wesentlich wichtiger sind aber Faktoren, die durch die Personalabteilungen beeinflussbar sind. Als Arbeitgeber attraktiv zu sein ist längst nicht mehr nur eine Frage der Bezahlung. Erwartet wird eine Menge mehr. Leere Versprechungen zu Beginn des Arbeitsverhältnisses, z.B. hinsichtlich einer guten Unternehmenskultur, werden von den Besten schnell durch einen Arbeitgeberwechsel geahndet.

Dem Personaler stehen zahlreiche Werkzeuge über attraktive Arbeitszeit- und Vergütungsmodelle hinaus zur Verfügung, um die Besten am Markt rekrutieren und halten zu können. Als absichernde Grundlage gibt es im Idealfall ein strategisches Bekenntnis zum Talent-Management. Wir wollen Ihnen einige effektive Werkzeuge kurz vorstellen:

  1. Proaktives Recruiting – früh strukturierten Kontakt herstellen
  2. Effektives Recruiting – Talente erkennen
  3. Aufbau und Entwicklung eines Talent-Pools.

Proaktives Recruiting – früh strukturierten Kontakt herstellen

Recruiting von Talenten wird tendenziell immer weiter in den Ausbildungsprozess verlagert. Grundsätzlich gilt: Je früher der Kontakt hergestellt wird, umso größer sind die Chancen für ein Unternehmen, später auch der Arbeitgeber zu sein. Dies muss jedoch nicht positiv sein: Ohne steuernde Strukturen für Praktika, Werkstudententätigkeit, Diplomarbeitenbetreuung oder Sonderprojekte könnten vor allem die Bequemesten (und nicht die Besten) ermutigt werden, sich zu bewerben: Der Kontakt zum Unternehmen besteht, die Chancen für eine Anstellung steigen und die Mühen der Arbeitssuche sind vergleichsweise gering. Werden Praktikanten vor allem als preiswerte Arbeitskräfte betrachtet, denen man wenig zutraut oder für die man keine anspruchsvollen Aufgaben hat, wirkt die Zusammenarbeit dagegen auf Talente tendenziell abstoßend.

Es muss also darum gehen, die temporäre Zusammenarbeit als Ansporn und als Test zu betrachten und entsprechend zu strukturieren. Dazu bedarf es formellerer Strukturen, wie bei den fest angestellten Mitarbeitern auch. Dazu gehören:

  • Klare Aufgabendefinition
  • Herausfordernde Aufgaben in Bereichen, wo Bedarf an Talenten besteht
  • Bewertungen der Kompetenz durch einen qualifizierten Betreuer
  • Zentrale Sammlung und Auswertung der Bewertungen
  • Kontakthalten und Animation zur weiteren Zusammenarbeit bei identifizierten High-Potentials.

In vielen Fällen bedarf es eines Sinneswandels, um diese Strukturen zu etablieren. Gerade die Fachabteilungen betrachten Studierende oft als administrative Hilfskräfte, welche vor allem als Feuerwehr bereitstehen sollen. Dies mag für die jeweilige Abteilung ressourcenschonend sein, für die Außenwirkung und die Gewinnung von Talenten ist es aber pures Gift.

Neben Formen der längeren, temporären Zusammenarbeit kommen Events in Frage, um Talente zu identifizieren. Unternehmensberatungen laden häufig zu Case Studies ein, wo innerhalb weniger Tage ein fiktives Projekt gemeinsam gelöst wird. Dabei wird eine Umgebung simuliert, die der Alltagssituation in den Beratungen sehr ähnlich ist. In anderen Branchen ist dies weitaus seltener der Fall. Die Begründung, dass man Case Studies nicht so einfach generieren könnte, stammt im Regelfall daher, dass es noch nicht versucht worden ist. So könnten für Ingenieure Brainstormings mit spezifischen Fachabteilungen veranstaltet werden, bei denen reale Alltagsprobleme diskutiert werden.

In Summe gilt: Je früher und je strukturierter der Kontakt zu Talenten aufgebaut wird, umso größer sind die Chancen einer späteren Rekrutierung. Die notwendigen Strukturen können die Organisation zu einem Umdenken zwingen, was die Einführung erschwert.

Effektives Recruiting – Talente erkennen

Viele Unternehmen sehen sich einer Flut von Bewerbungen ausgesetzt. Dieser grundsätzlich positive Umstand schlägt um zur Gefahr, wenn aufgrund der Masse Talente verloren gehen – einerseits aufgrund der Verkennung von Talenten, andererseits aus reinem Zeitmangel, der zu einer zu späten Reaktion führt.

Es gibt mehrere Lösungsansätze, um diese Gefahr zu reduzieren und die eigenen Chancen zu optimieren:

Genaue Stellenanzeigen: Am Anfang der Bemühungen steht die zielgerichtete Formulieren von Stellenanzeigen. Je spezifischer und klarer die Anforderungen aufgelistet sind, umso zutreffender sollten die Bewerbungen sein. Heutzutage gilt diese Annahme aber immer weniger. Im Zeitalter von elektronischen Dokumenten und E-Mails verschicken viele Massenmails und bewerben sich damit auf zahlreiche Jobs gleichzeitig, ohne wirklich auf einen Match mit dem geforderten Profil zu achten.

Recruiting-Portale: Recruiting-Portale sollen den Bewerbungsporzess für den Bewerber und die Bearbeitung für das Unternehmen erleichtern. Diese Portale werden mittlerweile auch von „normalen“ ERP-Systemanbietern als Erweiterung angeboten. Dazu gibt es zahlreiche Speziallösungen. Sinnvoll sind vor allem die Portale, die auf Stellenausschreibungen eine individuelle Antwort erfordern. Damit werden Massenbewerbungen abgeblockt und man kann über die vom Bewerber in Online-Formularen eingegebenen Antworten eine Klassifizierung vornehmen und standardisiert mögliche Talente herausfiltern. Dazu bedarf es aber eines Screening-Mechanismus.

Screening-Mechanismus: Ein effektiver Screening-Mechanismus ist wichtig, um Talente schnell identifizieren zu können. Dazu gibt es zwei grundsätzliche Vorgehensmöglichkeiten: (1) Die Screening-Kriterien werden vom Unternehmen nach Hypothesen definiert, (2) Die Profile von Talenten werden mittels Cluster- und Diskriminanzanalyse statistisch ermittelt. Beide Vorgehensweisen müssen handhabbare Mechanismen generieren, d.h. das Screening auf wenige Kriterien reduzieren.

Talent Key Account: Die Bearbeitung von Bewerbungen sollte in größeren Unternehmen nach Potential der Bewerber getrennt werden. Mit der Einführung eines Talent Key Accounts (in der Personalabteilung) wird der Fokus auf Talente organisatorisch verankert. Die Kommunikation mit Talenten wird hinsichtlich Qualität und Zeit verbessert. Ein Talent Key Account braucht aber als Voraussetzung einen effektiven Selektionsmechnismus, der Talente vorab identifiziert.

Recruiting Controlling: Mittels Controlling können Schwachstellen im Personalakquiseprozess identifiziert werden. Sinnvoll ist das Tracking von eingehenden Bewerbungen in Summe und von Talenten speziell. Zugleich ist der Erfolg bei der Rekrutierung von Talenten nachzuhalten. Die Aussagegenauigkeit des Screening-Mechanismus ist langfristig nachzuhalten.

Aufbau und Entwicklung eines Talent-Pools

Der Fokus auf Talente darf nicht nach der Rekrutierung aufhören. Ein Talent-Pool darf auch nicht mit Führungskräfteentwicklung gleichgesetzt werden, sondern ist die Basis der Führungskräftegenerierung. Mit dem Talent-Pool werden vor allem zwei Ziele erfolgt:

1. Die Talente werden als besondere Gruppe der Mitarbeiter identifiziert und gemanagened.

2. Durch den zentralistischen Ansatz wird die Talentförderung ein Stück weit der Willkür einzelner Fachabteilungen entzogen und kann auch für eine bereichsübergreifende Weiterentwicklung der Talente sorgen.

Zum Aufbau eines Talent-Pools bedarf es eines gelebten, unternehmensweiten Mitarbeiterbeurteilungssystems. Die Beurteilungskriterien müssen, je nach Aufgabenbereich, standardisiert werden, um unternehmensweite Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Auf der Basis zentral gesammelter Beurteilungen können anschließend die Talente identifiziert werden. Zur Identifizierung kann ein einfaches Scoringmodell auf Basis selbstentwickelter Kriterien oder ein statistisches Modell auf Basis von Cluster- und Diskriminanzanalyse genutzt werden. Zusätzlich, um Fehler bei der Identifizierung zu vermeiden, sollten Beurteiler angeben können, ob Sie einen Mitarbeiter dem Talent-Pool zuordnen würden.

Rekrutierte Talente kommen sofort in den Talent-Pool des Unternehmens. Erfüllen die Bewertungen über eine gewisse Zeit nicht mehr die gewünschten Anforderungen, können Mitarbeiter auch wieder aus dem Talent-Pool herausfallen.

Es ist sinnvoll, die Talente entsprechend den Karrierewegen im Unternehmen zu unterscheiden und auch innerhalb des Pools Abstufungen vorzunehmen. Ein Talent muss nicht zwangsläufig eine Führungskraft sein, die die Hierarchiestufen nach oben klettern kann. Auch Top-Experten (z.B. ein talentierter Forscher ohne Führungsgeschick oder gar -ambitionen) sollten im Rahmen des Pools geführt werden, jedoch eine andere Art von Förderung erfahren. Dies ist nicht der Standard.

Die Entwicklung des Talent-Pools ist ein weiterer entscheidender Schritt, um Talente im Unternehmen zu halten. Zwar ist die Identifizierung und das Tracking des Karrierewegs auf den unteren Hierarchiestufen bereits ein wichtiger Baustein, um Talente später in wichtige Führungspositionen zu bringen. Nur eine aktive Förderung maximiert aber das Potential der eigenen Talente. Die Talentförderung sollte bei der Förderung mindestens potentielle Führungskräfte und Experten unterscheiden. Typische Elemente der Talentförderung können sein:

  • Bereitstellung bzw. notwendige Auswahl eines Sponsors oder Mentors im Unternehmen
  • Trainingsprogramme zum Ausbau erforderlicher Kompetenzen
  • „Austauschprogramme“ in großen Unternehmen, d.h. Arbeit in anderen Unternehmensbereichen und Ländern; evtl. sogar Austausch mit wichtigen Geschäftspartnern
  • Gezieltes Antesten von Führungspositionen im Rahmen besonderer Aufgaben oder Projekte. Hierbei kann z.B. an Qualitätsoffensiven, Restrukturierungen oder Change-Management-Programme gedacht werden.

Schließlich ist das ultimative Ziel der Talentförderung, den Mitarbeiter in eine adäquate Position zu befördern und dann der Führungskräfteentwicklung zu „übergeben“. Dazu bedarf es eines kontinuierlichen Trackings und Abgleichs mit adäquaten, offenen Stellen im Unternehmen.

Bei Interesse an diesem Thema, sprechen Sie uns an!